Rolls-Royce Silver Ghost 40/50 HP
Rolls-Royce Silver Ghost 40/50 HP | 1906-25 | Großbritannien |
Der Rolls-Royce 40/50 HP auf der Olympia-Show 1906Charles S. Rolls und F: Henry Royce hatten bereits mit dem Zwei-Zylinder-Modell Rolls-Royce 10 HP (16 Exemplare), dem Drei-Zylinder-Fahrzeug Rolls-Royce 15 HP (6 Exemplare), dem Rolls-Royce 20 HP (4 Zylinder; 40 Exemplare), dem Rolls-Royce 30 HP (6-Zylinder, 37 Exemplare) sowie dem Rolls-Royce V8 Legalimit (8 Zylinder; 3 Exemplare) einige Erfahrungen in der Produktion von Automobilen gesammelt. 1906 konnten der technische Direktor Claude S. Johnson auf einem 30 HP die Scottish Reliability Trials und Charles S. Rolls selbst auf einem 20 HP sogar die Tourist Trophy 1906 gewinnen! Doch die Gründer der zu diesem Zeitpunkt erst zwei Jahre alten Firma hatten Bedeutenderes im Sinn. Insbesondere Claude Johnson schwebte ein deutlich größeres Modell für höchste Ansprüche vor: Auf der Olympia-Show in London im November 1906 präsentierte man neben zwei 30 HP-Modellen auch ein Fahrgestell mit Motor des vollständig neu konstruierten Rolls-Royce 40/50 HP (Chassis-Nr. 60539). Die Ölwanne war abgeschraubt und unter den Motor hatte man einen großen Spiegel zur besseren Sicht auf die Innereien des Motors platziert. Der Blick auf diesen Motor lohnte wahrlich, er war ein Meilenstein des Automobilbaus! F. Henry Royce hatte mit der ihm eigenen Sorgfalt und Beharrlichkeit sämtliche bis dato regelmäßig auftretenden Schwächen einer 6-Zylinder-Konstruktion beseitigt: Der Motor besaß zwei Zylinderblöcke mit je drei Zylindern ohne abnehmbare Zylinderköpfe. Im Gegenzug gab es Abdeckplatten, um an Ventilen und Stößeln arbeiten zu können. Die Kurbelwelle drehte sich in insgesasmt sieben Lagern und war erheblich stärker dimensioniert sowie etwas kürzer als die des 30 HP mit ebenfalls sechs Zylindern. Royce beharrte zusätzlich auf einer besonders sorgfältigen Auswuchtung der Kurbelwelle und ließ auch kleinste Schleifspuren vor der Montage im Wagen von Hand wegpolieren. Auch der Nockenwellenantrieb wurde in ähnlicher Weise sorgfältigst bearbeitet. Zusätzlich sorgte eine Druckumlaufschmierung für eine gleichmäßige Versorgung des Motors mit Schmierstoff. Viele Konkurrenten dagegen muteten ihren Kunden anno 1906 noch Schaugläser und manuell zu bedienende Ölpumpen zu. Das Ergebnis war ein für damalige Verhältnisse sensationell ruhiger Motorlauf und eine praktisch völlige Eleminierung der Gefahr von Kurbelwellenbrüchen mangels Torsionsschwingungen. Legendär war der - natürlich bestandene - Test mit einer Münze, welche hochkant auf dem im Leerlauf dahinbrabbelnden Motor gestellt werden konnte ... ohne umzufallen ... Der erste "Silver Ghost"Für das neue Modell wurde sofort in erheblichem Maße die Werbetrommel gerührt. Das 11. oder 12. Fahrgestell der Baureihe mit der Chassis-Nr. 60551 wurde mit einer "Roi des Belges"-Karossserie von Barker ausgerüstet, mit Aluminiumfarbe silbern lackiert und mit echten Silber-Applikationen versehen. An der Front blitzte zudem eine Plakette mit dem Namen des Fahrzeugs: "Silver Ghost". 'Silver' wegen der Farbe und 'Ghost' wegen der bemerkenswert geringen Fahrgeräusche. Der Wagen erhielt die englische Registrierung 'AX 201'. Mit diesem Fahrzeug bestritt der technische Direktor Claude Johnson in der Folge diverse Zuverlässigkeitsfahrten und Rennen. Zunäch gewann der Silver Ghost ein öffentliches Rennen gegen ein Dampffahrzeug der Firma White. Hiernach unternahm er im Mai 1907 eine bemerkenswerte Zuverlässigkeitsfahrt über 2000 Meilen ohne jede Panne. Nur einen Monat später startete er eine Nonstoppfahrt über 15.000 Meilen. Hier gab es zwar nach einigen hundert Meilen einen unfreiwilligen Stopp, weil ein defekter Benzinhahn die Kraftstoffzuleitung verschloss, aber in der Folge wurden exakt 14.392 Meilen völlig ohne unfreiwilligen Halt absolviert! Diese Fahrt wurde von Prüfern des Royal Automobile Club begleitet und deren Urteil bei Abschluss lautete, dass "der Rolls-Royce Silver Ghost in seiner Klasse in der Qualität nicht zu überbieten und in den Unterhaltskosten nicht zu unterbieten sei". Der Ritterschlag für das zu diesem Zeitpunkt wohl tatsächlich beste Auto der Welt. Das beste Auto der WeltAuch die Kunden schlossen sich sehr schnell der Wertung der Prüfer an. Befördert durch die exzellenten Testergebnisse füllten sich auch die Auftragsbücher, obwohl das Fahrgestell des Rolls-Royce 40/50 HP mit anfänglich 985,- Pfund Kaufpreis sehr teuer war. Die Kunden fanden sich nicht nur in der britischen Aristokratie, sondern sehr schnell auch über den ganzen Globus verteilt. Rolls-Royce eröffnete in einigen Hauptstätten der Welt sogar eigene Verkaufsagenturen. Der Erfolg des Modells 40/50 HP führte weiter dazu, dass die englische Firma noch vor der Eröffnung des neuen Werkes in Derby am 09. Juli 1908 alle weiteren Modelle strich und sich vollständig auf Bau und Verkauf des Silver Ghost konzentrierte. Das Modell wurde in der Folge im Übrigen stetig weiter entwickelt: 1909 wurde beispielsweise der Motor auf 7428 ccm Hubraum erweitert und das Getriebe mit vier Gängen wich einem Dreiganggetriebe, bei welchem der dritte Gang direkt übersetzt war. Der zuvor als Overdrive verwendete vierte Gang wurde angesichts des Zustandes der damaligen Straßen als nicht notwendig angesehen. Doch auch abseits des eigentlichen Autos wurde der Service stetig verbessert: So eröffnete Rolls-Royce im Oktober 1910 die "Rolls-Royce Drivers School of Instruction". Es handelte sich um eine eigene Fahrschule, welche die zuvor meist als Kutscher beschäftigten neuen Chauffeure und auch die aufkommenden neuen "Selbstfahrer" in der Bedienung der Fahrzeuge unterwies. Auch bei der Wahl der Karosserien wurde die anspruchsvolle Kundschaft unterstützt: Im Auftrag von C.S. Rolls & Co entwarf Montagu Graham-White, der sich zuvor mit einigen Karosserie-Entwürfen für französische Hersteller einen Namen gemacht hatte, eine ganze Palette von Standard-Aufbauten, die schließlich von den Karosseriebetrieben umgesetzt werden konnten. Damit war eine perfekte Abstimmung von Chassis und Aufbau sicher gestellt. Zuletzt gab es sogar reisende Werks-Mechaniker, welche kleinere Reparaturen und Wartungsarbeiten direkt in der Garage der Besitzer vornahmen. Diese Serviceleistugen waren für die damalige Zeit absolut einzigartig und sorgten für weiteres Renommee. Der Lohn der Mühen waren reihenweise zufriedene und vor allem diverse köngliche Kunden. Nur der englische Königshof bieb zum Frust von Claude Johnson seiner einmal gewählten Marke Daimler treu. Der Silver Ghost 'London-Edinburgh' und der Silver Ghost 'Alpine Eagle'Was heute nicht denkbar ist, war zu Beginn des 20. Jahrhunderts ein probates Werbemittel für Rolls-Royce: Teilnahme und Siege bei sportlichen Wettfahrten. Begonnen hatte diese Art des Kaufanreizes schon 1906, also noch vor der Präsentation des Silver Ghost, als die 'Tourist Trophy' und 'Scottish Reliability Trials' gewonnen wurden. Natürlich wurde aber später auch der Silver Ghost sportlich eingesetzt. 1911 hatte ein Napier, auf dem englischen Markt der Hauptkonkurrent von Rolls-Royce, die Strecke von London nach Edinburgh ohne einen einzigen Schaltvorgang absolviert. Rolls-Royce beschloss, es dem Napier gleichzutun und präparierte einen Silver Ghost für das gleiche Unterfangen. Chauffeur war Ernest Hives, der 25 Jahre später - zwischenzeitlich zum Lord geadelt - Vorstandsvorsitzender von Rolls-Royce werden sollte. Hives absolvierte die Fahrt ebenfalls ohne Gangwechsel, aber mit einem um 3 Liter pro hundert Kilometer niedrigerem Verbrauch! Rolls-Royce würdigte dieses Ereignis mit der Aufnahme des Silver Ghost "London-Edinburgh" in das offizielle Verkaufsprogramm. Dieser besaß eine relativ leichte Karosserie und einen Motor mit etwas erhöhter Verdichtung und damit leicht höherer Leistung. Zwischen Frühjahr 1912 und Oktober 1913 entstanden exakt 188 "London-Edinburgh"-Modelle. Das letzte trug die Chassis-Nr. 2699. Heute wohl das begehrteste Modell der Baureihe Silver Ghost. In der "Pall Mall Gazzette" vom November 1911 wurde dann berichtet, dass ein von James Radley zur österreichischen Alpenfahrt gemeldeter SIlver Ghost London-Edinburgh jämmerlich versagt hatte! An der Turracher Höhe war es nötig gewesen mit vier Personen an Bord anzufahren, was dem Fahrzeug nicht gelang. Erst als die Mitfahrer ausgestiegen waren, glückte das Unterfangen. Eine Schmach für das beste Auto der Welt und für Henry Royce nicht hinnehmbar. Es wurde schließlich festgestellt, dass die Motorleistung des Silver Ghost grundsätzlich ausreichend war für einen Start an einem steilen Hang mit voller Beladung. Was jedoch nicht bedacht worden war, war die dünnere Atmosphäre in großer Höhe, die die Motorleistung erheblich herabsetzte. Was folgte, war eine Überarbeitung des Motors mit dem Ziel, die Alpenfahrt zu gewinnen! Royce erhöhte zunächst die Verdichtung des Motors und installierte größere Vergaser. Außerdem wurde eine Kaltstarteinrichtung verbaut. Zudem wurde der Kühler vergrößert und ein Dampfseperator integriert. Weitere Verbesserungen betrafen das Fahrgestell, welches eine größere Bodenfreiheit erhielt. Vier derart veränderte Fahrzeuge starten schließlich bei der österreichischen Alpenfahrt des Jahres 1913. Drei Fahrzeuge als Werksteam mit den Fahrern Friese (Leiter der österreichischen Rolls-Royce-Vertretung in Wien), Hives und Sinclair, ein Fahrzeug wurde James Radley im Tausch gegen sein schmachvolles Modell des Vor-Vorjahres gegeben. Zwei weitere Standardfahrzeuge mit C.G. Johnson und einem Werksmechaniker begleiteten die Teilnehmer. Der Erfolg war durchschlagend. Die erreichte Spitzengeschwindigkeit der "Alpine Eagles" lag über 130 km/h. Man überholte auf einer Etappe sogar die erheblich früher gestarteten Zeitnehmer der Rennleitung und traf über eine Stunde vor diesen am Ziel ein! Letztlich wurden alle Etappen und sämtliche Trophäen mit Ausnahme des Mannschaftspreises von Rolls-Royce gewonnen. Das Unternehmen zog sich nach diesem Triumph und einem zusätzlichen hervorragenden 3. Platz beim Grand Prix von Spanien mit einem offiziellen Memo vom werksseitig betriebenen Rennsport zurück. Man sah sich jedoch genötigt, aufgrund der vielen Kundenanfragen ab 1914 eine "Alpine Eagle"-Version des Silver Ghost in den offiziellen Verkaufskatalog aufzunehmen, die schließlich bis 1921 lieferbar war. Ausbruch des Krieges und Armoured CarsDer Ausbruch des ersten Weltkrieges traf Rolls-Royce ziemlich unvorbereitet. Zum einen war man für die damalige Zeit recht "global" aktiv, zum zweiten produzierte man ausschließlich Luxus-Produkte, deren Produktion naturgemäß im Krieg zusammenbrechen musste. Doch man wartete mit einer erstaunlichen Lösung des Problems auf: Man produzierte eine verstärkte Variante des Silver Ghost-Chassis und bestückte dieses ab Sommer 1914 mit einem gepanzerten Aufbau samt Geschützturm! Diese "Armoured Cars" kamen in praktisch allen Kriegshandlungen von Frankreich bis Ostafrika zum Einsatz und erwiesen sich trotz erheblich erschwerter Einsatzbedingungen als überragend zuverlässig. Von Lawrence von Arabien ist der Spruch überliefert, dass "Ein Rolls-Royce in der Wüste mehr wert sei, als Edelsteine". Etliche bislang in Privathand befindliche Fahrzeuge wurde darüber hinaus zu Ambulanzwagen umgebaut. Diese Modelle, zusammen mit Regierungsaufträgen zum Bau von Flugzeugmotoren, sicherten Rolls-Royce nicht nur das Überleben, sondern ließen die Reputation sogar noch steigen. Bei der Ausmusterung der Armeefahrzeuge nach Beendigung des Krieges wurde für diese Fahrzeuge daher teilweise der doppelte Neupreis gezahlt! Zusätzlich stieg sofort nach dem Krieg die Nachfrage nach Neufahrzeugen an, was kurzfristig trotz empfindlicher Preiserhöhungen auf zunächst 1.350,- Pfund, später sogar auf 1.850,- Pfund sogar zu Lieferengpässen führte. Doch die Kunden goutierten weiterhin die hohe Qualität und vor allem die stetige Weiterentwicklung des Silver Ghost. Trotz des anhaltenden wirtschaftlichen Erfolgs mussten die Weichen für die Zukunft gestellt werden: F. Henry Royce favorisierte eine Erweiterung der Modellpalette um ein kleineres Modell. Der Silver Ghost war zwischenzeitlich eine veraltete Entwicklung und hinsichtlich der weiteren Nachfrage nach Luxusautomobilen mit Chauffeur war er skeptisch. C.G. Johnson hingegen wollte eine zweite Produktionsstätte in den USA aufbauen. Er argumentierte mit dem wichtigen Absatzmarkt USA, den hohen Importzöllen von 45 bzw. 33 % dort und mit der bereits vorhandenen Produktionsstätte für Flugzeugmotoren von Rolls-Royce vor Ort. Zur großen Konfrontation kam es nicht: Vorstand und Aufsichtsrat beschlossen einfach beide Projekte umzusetzen. Royce entwickelte das Modell Twenty und Johnson baute 'Rolls-Royce of America' auf. Dieses Unternehmen wurde 1919 als Aktiengesellschaft gegründet, technisch blieb die an sich selbstständige Gesellschaft jedoch der Mutterfirma in England weisungsgebunden. Als Produktionsstandort wählte man Springfield in Massachussetts. Der erste komplett in den USA gebaute Rolls-Royce rollte schließlich im Januar 1921 auf die Strasse. Doch die Vorgabe, dass die in den USA gebauten Fahrzeuge in jeder Hinsicht den europäischen gleichen mussten, bedeutete eine Vielzahl von Problemen. Auch erwarteten die amerikanischen Käufer einen anderen Service. Ab 1923 wurden daher zusätzlich eine ganze Anzahl standardisierter Karosserien über die eigens gegründete 'Rolls-Royce Custom Coachwork Organization' angeboten. Weitere Details zur Geschichte von Rolls-Royce in Amerika können hier nachgelesen werden. 1925 wurde der 'New Phantom' vorgestellt, der Silver Ghost blieb aber offiziell zunächst im Lieferprogramm. Allerdings stürzten sich die Kunden nunmehr fast ausschließlich auf das neue Modell, so dass lediglich noch ein oder zwei Straßenfahrzeuge ausgeliefert wurden. Die Panzerfahrzeuge wurden hingegen noch bis 1928 produziert. Insgesamt wurden somit 6173 Silver Ghost-Chassis in England und 1703 Chassis in Springfield/USA produziert. |
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