Bentley 6½-Litre / Speed Six

Bentley 6½-Litre '1926-30

Der Bentley 6½-Litre, auch schlicht 'Six' genannt, war das wohl berühmteste Auto der Vintage-Äera aus dem Hause Bentley. Die Vorarbeiten und grundsätzlichen Überlegungen zu dem neuen Modell waren bereits 1924 abgeschlossen. Ursprünglich hatte W.O. Bentley vorgehabt, dem 3-Litre ein Modell mit 4,5-Liter-Sechszylinder-Motor zur Seite zu stellen, doch es gab berechtigte Befürchtungen, dass ein 4,5-Liter-Motor möglicherweise auch nicht stark genug sein würde, Fahrzeuge mit großen, schweren Aufbauten angemessen sportlich zu bewegen. Mit ausschlaggebend war ausgerechnet eine Begegnung auf einer französischen Landstrasse. Dort kam es zu einem Beschleunigungsduell eines Experimental-Modells mit einem anderen großen englischen Fahrzeug. Wie sich später herausstellte, handelte es sich ebenfalls um ein Versuchsfahrzeug - ausgerechnet - von Rolls-Royce! Das Duell ging verloren, was die Überzeugung reifen ließ, dass ein größerer Motor notwendig sei. Man entschied sich für einen Hubraum von 6,5-Liter, was man rückwirkend mit dem Abstand etlicher Jahrzehnte nur beglückwünschen kann. Eine Höchstgeschwindigkeit von 120 km/h war nunmehr garantiert, mit einer leichten Tourer-Karosserie war auch deutlich mehr drin, was sich in sportlichen Wettbewerben auszahlen sollte. Konstruktiv war der Motor mit dem 3-Litre deutlich verwandt. Hier wie dort gab es vier Ventile pro Zylinder

Das sehr stabile Chassis des Bentley 6,5-Litre war trotz der aufgrund des hohen Preises zu erwartenden relativ geringen Stückzahl mit diversen verschiedenen Radständen lieferbar. Zunächst gab es dieses mit Abmessungen von 12-Zoll (3658 mm bzw. 3,66 m) und 12-Zoll 6-Inch (3810 mm bzw. 3,81 m). Für eine besonders üppige Karosserie mit Seperation des Fahrgastabteils wurde der Radstand sogar auf 12-Zoll 8,5-Inch (3873 mm bzw. 3,87 m) gestreckt. Für Rennausführungen und offene Sportwagen gab es darüber hinaus ein kurzes Fahrgestell mit 11-Zoll (3353 mm bzw. 3,35 m) Radstand. Nach einer Revision der Vorderachse mit neuen Federn zur Vermeidung von Einflüssen in der Lenkung änderten sich die Standard-Radstände auf 12-Zoll 1,25-Inch (3685 mm bzw. 3,69 m) und 12-Zoll 7,25-Inch (3840 mm bzw. 3,84 m). Das kurze Chassis wuchs auf 11-Zoll, 1-Inch (3380mm bzw. 3,38 m).

Viele wundervolle und prächtige Karosserien wurden für diese Autos geschaffen. Heute lassen Clubtreffen der 'Bentley-Boys' allerdings vermuten, als wären damals fast ausschließlich sportliche Tourer-Aufbauten geordert worden. Das Gegenteil ist jedoch richtig. Die meisten Aufbauten waren hochherrschaftlich und dementsprechend schwer. Aufgrund des hohen Preises war es jedoch durchaus üblich, dass die Fahrzeuge nicht selten nach ein paar Jahren ein neue ggf. völlig andere Karosserie erhielten. Man schätzt, dass nur ca. 20 Exemplare insgesamt ihren ursprünglichen Aufbau behalten haben. Restauratoren haben hingegen über die Jahre fast ausschließlich Tourer-Karosserien im Stile von Vanden Plas geschaffen. Im TRAUMAUTIARCHIV werden diese durchgängig als 'Replica' bezeichnet. Ähnliche Aufbauten wurden in den 20er Jahren bei Sportveranstaltungen eingesetzt und galten als überaus sportlich.

Die Preise für das Chassis ohne Karosserie bewegten sich zwischen 1.450,- Pfund (1926-27), 1.575,- Pfund ('1928-29) und 1.700,- Pfund ('1930). Ein komplettes Auto mit leichter Tourer-Karosserie wog ca. 2200 Kilogramm, ein geschlossener Saloon brachte ca. 300 Kilogramm mehr auf die Waage.

Bentley Speed Six '1928-30

1928 wurde dem Standard-6½-Litre der 'Speed Six' zur Seite gestellt. Bei diesem versorgte ein vor dem Motor angebrachter Kompressor den Motor mit zusätzlicher Frischluft, was die Leistungsausbeute auf zunächst ca. 160 PS (Twin Port Block), später ca. 180 PS (Single Port Block) bei den Serienfahrzeugen steigerte. Walter Owen Bentley war allerdings zunächst kein Freund aufgeladener Motoren. Als seine Ingenieure Amherst Villiers und Sir Henry Birkin damit experimentierten, fand dies zunächst überhaupt keine Gnade beim Firmeninhaber. Als das Projekt schließlich von Hon. Dorothy Paget finanziert wurde, wurden vom Speed Six allerdings schließlich erstaunliche 182 Exemplare gebaut. Dies, obwohl der Wagen extrem teuer war und die Weltwirtschaftskrise den Luxusautos im Allgemeinen und der Firma Bentley im Besonderen schwer zu schaffen machte. Der Motor verlor durch den Kompressor nichts von seiner Geschmeidigkeit.

Äußerlich waren diese Modelle - neben dem von außen gut sichtbaren Kompressor - an grünen Markenzeichen auf dem Kühlergrill erkennbar, im Gegensatz zu den blauen Bentley-Zeichen bei den Standard-6½-Litre-Modellen. Heutzutage ist allerdings die Zahl der Speed Six weit höher, weil sehr viele nicht aufgeladene Modelle nachträglich mit einem Kompressor versehen wurden. Auch die Speed Six-Modelle wurden gerne und häufig umgebaut. Von den offenen Exemplaren der 182 gebauten Speed Six beispielsweise sollen nur noch 11 überhaupt ihre Original-Karosserie besitzen. Die Preise für das blanke Chassis der Speed Six betrugen 1929 1.700,- Pfund und sogar 1.800,- Pfund ein Jahr später. Es ist überliefert, dass der Speed Six das erklärte Lieblingsauto von W.O. Bentley bei seiner eigenen Firma gewesen ist.

Stückzahlen