Lamborghini 350 GT / 400 GT

Auf dem Genfer Salon 1964 war es soweit: Die Welt konnte den ersten Serien-Lamborghini in seiner finalen Ausführung bewundern. Die schon zu dieser Zeit in argen Finanznöten steckende Firma Touring/Milano war mit der Überarbeitung des Scaglione-Entwurfes 350 GTV beauftragt worden und hatte eine wirklich bemerkenswerte Arbeit vorgelegt. Man hatte große Mühe darauf verwandt, die von Ferruccio Lamborghini im Prinzip vorgegebene Gesamtlinie des Prototyps beizubehalten, doch die vielen Ungereimtheiten und Gegensätze des Entwurfes abzumildern. Beides gelang in Perfektion. Die Linie mit der flachen Motorhaube, dem abgeschrägten Heck und den gebogenen Scheiben war nach wie vor erhalten, doch die Klappscheinwerfer waren zwei großen ovalen Cibié-Scheinwerfern gewichen. Diese boten nicht nur eine besonders große Lichtausbeute, sondern vor allem verursachten sie praktisch keine Windgeräusche. Überhaupt war die ganze Karosserie so geglättet, dass selbst bei Geschwindigkeiten über 200 km/h der Wind kaum zu hören war. Dies entsprach ebenfalls einer Vorgabe Ferruccio Lamborghinis, dass der neue GT erheblich komfortabler sein müsse, als die Konkurrenz aus Maranello. Die Karosserie von Touring war zudem in 'Superleggera'-Bauweise (dünne Aluminumbleche wurden mit eingerollten Kanten über filigrane Stahlrohr-Hilfsrahmen gezogen) ausgeführt und damit sehr leicht. Nur die hinteren Sitze waren kaum zu nutzen, da sie einfach zu klein ausgefallen waren.

Die Resonanz auf dem Genfer Salon war sehr groß, wenngleich die Bestellungen nicht so umfangreich ausfielen, wie von Lamborghini vorhergesehen. Der Grund lag weniger in den Qualitäten seines Autos, als viel mehr in einer aufgekommenen Wirtschaftskrise in Italien. Da Lamborghini jedoch nicht von irgendwelchen Banken abhängig war, stellte dies zunächst kein Problem dar. Die Innenausstattung war ebenfalls gelungen und erheblich wertiger als bei der Konkurrenz. Leder, dicke gepolsterte Türen und eine handwerklich gute Ausführung der Arbeiten unterschieden den 350 GT ebenfalls von der Konkurrenz. Sogar die Sitzposition war hervorragend. Dies dürfte ein Verdienst des großgewachsenen Testfahrers Bob Wallce gewesen sein. Zusätzlich gab es nette Details wie elektrische Fensterheber, damals bei Luxus-Sportwagen bei weitem noch nicht allgemein üblich, eine ausgeklügelte Zwangsbelüftung und hintere Ausstellfenster.

Die Fahrleistungen waren zudem über jeden Zweifel erhaben. Der Motor leistete, nicht zuletzt durch eine besonders ausgeklügelte Auspuffanlage, bei der zwei einzelne Rohre unter den Schwellern in einem zentralen Schalldämpfer aus Edelstahl mündeten, standfeste 280 DIN-PS und die Höchstgeschwindigkeit wurde mit durchaus glaubhaften 265 km/h angegeben. Dass später in zeitgenössischen Tests "nur" 251 km/h ermittelt wurden, stellte zur damaligen Zeit, wo alle bei der Höchstgeschwindigkeit schummelten, kein Problem dar.

Etwas problematischer war da schon der Serienanlauf. Neben der Luxussteuer, die gerade in Italien eingeführt worden war, nahm man es bei den ersten Wagen, die an Kunden ausgeliefert wurden, mit der Qualitätskontrolle in Sant'Agata sehr genau. Jeder Motor musste beispielsweise einen 24-Stunden-Check auf dem Prüfstand überstehen, wobei der Motor in den ersten 12 Stunden elektrisch gedreht wurde und erst in den zweiten 12 Stunden aus eigener Kraft mit steigernder Drehzahl lief. Die Messungen zeigten dabei PS-Leistungen nach der DIN-Norm von bis zu 297 PS. Anschließend wurde jedes Triebwerk in einen Testwagen eingebaut und von Wallace persönlich über einen 500 Kilometer Testlauf pilotiert. Dies führte dazu, dass im ersten Jahr nur 13 Exemplare ausgeliefert wurden und eine Abrechnung des Chefs zeigte, dass man bei jedem Wagen gut 1100,- US-Dollar draufgelegt hatte. Letztlich war der 350 GT jedoch ein hervorragender Start für den neuen Automobilhersteller Lamborghini.

Natürlich gab es schnell Überlegungen für Weiterentwicklungen. So wurde bereits zwei Jahre nach der Präsentation der Motor auf 4 Liter vergrößert, wodurch der 400 GT entstand. Dieses Modell wurde zudem durch Anhebung und Verlängerung des hinteren Teils des Daches mit zwei echten Rücksitzen ausgestattet und so zum 400 GT 2+2. Es gab zwei Testwagen für eine Cabrioversion, die Ferruccio Lamborghini jedoch ablehnte, da er befürchtete, dass er nicht genügend Exemplare verkaufen würde. Überhaupt war die Karosserie zwar gelungen, aber Touring machte 1966 Pleite und es war klar, dass man dem ersten Modell schnell einen Nachfolger folgen lassen musste. So gab Ferruccio Lamborghini einigen Karosserieschneidern (Bertone, Touring, Neri & Bonacini) Chassis zur Entwicklung alternativer Ideen, die jedoch allesamt nicht seinen Vorstellungen entsprachen.

Stückzahlen