Monteverdi Hai 450 SS / Hai 450 GTS

Monteverdi Hai 450 SS '1970

Alle Quartettspieler der 80er-Jahre kennen den Superstar jener Zeit: Es handelte sich nicht um den Ferrari 512 BB oder den Lamborghini Countach, nein es war der Monteverdi Hai!. Zwar besaß dieser nur 8 Zylinder, statt deren 12 der Italiener, aber eine Höchstgeschwindigkeit von 295 km/h, eine Beschleunigung von nur 4,9 sek von 0-100 km/h, 6974 ccm und sagenhafte 450 PS waren damals Daten von einem anderen Stern! Dabei handelte es sich streng genommen um nicht mehr als einen einzigen Prototypen, der praktisch keinen Käufer fand und noch dazu nicht annähernd das leistete, was der Hersteller ihm andichtete: Ehrlicherweise muss zunächst zum Motor gesagt werden, dass die Angaben durchaus korrekt waren, allerdings handelte es sich bei der Leistungsangabe aufgrund des amerikanischen Motor auch um eine amerikanische Angabe nach der SAE-Norm, welche die Leistungsprüfung ohne Nebenaggregate vornahm und dadurch auf eine etwa 25 % höhere Nominalleistung kam. Die amtliche Prüfung des einzigen jemals verkauften Modells ergab denn auch immerhin etwa 360 muntere Pferdestärken, die zur Verfügung standen.

Die Erstpräsentation des Monteverdi Hai 450 SS erfolgte auf dem Genfer Salon 1970. Dort war der violette, nur 1,03m flache Sportwagen der unbestrittene Star und die Leute staunten nicht nur über die angegebenen Leistungsdaten, sondern auch über den aufgerufenen Verkaufspreis von zunächst umgerechnet satten 95.000,- DM! Zum Vergleich: Ein Ferrari Daytona kostete zu dieser Zeit gerade einmal 68.600,- DM. Darüber hinaus wurde kolportiert, dass der Ex-Rennfahrer und Firmen-Inhaber Peter Monteverdi jeden Interessenten persönlich vor dem Kauf auf seine charakterliche und fahrerische Eignung hin überprüfen würde ... Wen wunderte es da, dass die Verbreitung des Wagens in der Folge sehr eingeschränkt blieb. Wie eingeschränkt, wußte allerdings jahrelang Keiner zu sagen, da Stückzahlen aus der Schweiz grundsätzlich nicht mitgeteilt wurden und Peter Monteverdi höchstselbst dem Vernehmen nach unwirsch auf entsprechende Nachfragen reagierte. "Zwölf oder 14" gab er etwa dem Automobil-Journalisten Wolfgang Blaube zur Antwort, was jedoch schlicht gelogen war. Ebenfalls nicht der Wahrheit entsprach, dass Peter Monteverdi das sensationelle Äußere des Hai entworfen hatte. Tatsächlich war dies der Italiener Trevor Fiore, der damals als freier Designer in den Studios von Fissore arbeitetet und 1967 von Jean Rédélé den Auftrag eines Entwurfs eines modernen Nachfolgers des Alpine A 110 erhalten hatte. Anläßlich eines Besuchs bei Fissore im Jahr 1969 hatte Monteverdi Kenntnis vom Design erhalten und - nachdem man sich nicht über eine Übernahme einigen konnte - schlicht kopiert. Eine Vergütung für den Entwurf verweigerte Monteverdi dem Italiener zeitlebens. Immerhin erklärt dies die formale Verwandtschaft des Monteverdi Hai zum Renault A 310. So fantastisch die Karosserie auch aussah, der Wagen ließ sich leider kaum fahren. Dies lag vornehmlich am viel zu kleinen Innenraum. Der Hai basierte auf einem recht üppigen Rohrrahmen. Dies und die Lage des riesigen Motors vor der Hinterachse führten dazu, dass dieser weit in den Innenraum ragte und auch nur von dort aus gewartet werden konnte! Jedenfalls bedingte der knappe Platz eine unnatürliche Sitzneigung bei zu geringer Innenhöhe und eine leicht gebückte Haltung. Dazu kamen die hintere Starachse, das entgegen der Werksangabe von 1290 Kilogramm tatsächliche Gewicht von 1755 Kilogramm (gem. Wiegung des amerikanischem Zolls), ein merkwürdig abgestimmtes Getriebe mit endlos langem ersten Gang, das eher weiche Fahrwerk, die indirekte Lenkung und der zu hohe Schwerpunkt. So verwies denn auch der ehemalige Monteverdi-Verkaufsleiter Gerhard Mutterer die persönliche Prüfung der Kaufinteressenten nach dem Tode von Peter Monteverdi in das Reich der Märchen. Ihm zufolge, konnte schlicht keiner im Hai sitzen und sämtliche Interessenten nahmen rasch Abstand von ihren Kaufabsichten. Auch techisch war wohl einiges im Argen: Immer wieder soll es Defekte - auch bei Pressefahrten - vor allem mit Kupplung und Getriebe gegeben haben.

So klärten sich erst nach dem Tod von Peter Monteverdi auch die Nebel des Stückzahlen-Geheimnisses. Tatsächlich wurde nämlich nur ein einziger Monteverdi Hai 450 SS, Chassis-Nr. TNT101, verkauft! Das Fahrzeug wurde noch im Werk diversen kleineren Modifikationen unterworfen und mehrfach umlackiert. Dies diente wohl nicht nicht zuletzt der Vortäuschung einer größeren Stückzahl. Schließlich wurde TNT101 aber am 5. November 1971 als "fabrikneu" nach geschätzten 10.000 Kilometern Fahrpraxis für 99.900,- DM an den Wiesbadener Nachtclubbesitzer Karl-Heinz Schuberth verkauft. Nach mehreren Kupplungsschäden und einem schweren Unfall in 15.000 weiteren Kilometern wurde der Wagen am 12. Mai 1972 bereits wieder stillgelegt und an Monteverdi zurückgegeben. Etwas später erwarb der Nürnberger Michael Bauer, damals eine bekannte Roltlichtgröße in der fränkischen Stadt, den Hai mit der Chassis-Nr. TNT101 "fabrikneu" für 70.000,- DM. Auf einer Testfahrt verunfallte der Wagen aber abermals schwer, wobei auch noch der Beifahrer schwer verletzt wurde. Bauer trennte sich daher kurze Zeit später von dem Wagen und gab ihn an den Nürnberger Autohändler Joe Blei weiter, dessen türkischer Blechschlosser Halil Yampala den Wagen ohne Neuteile teilweise wiederaufbaute. Noch vor dem Abschluss der Restauration verkaufte Blei TNT101 im weiterhin teilzerlegten Zustand für 30.000,- DM an Georg Dotzauer, dem jedoch die nur unter größten Schwierigkeiten vom Voreigentümer besorgte Frontscheibe beim Einbau zerbrach. Dies und Geldschwierigkeiten führten zum nächsten Eigentümerwechsel an den Mechaniker Günter Scharf, ebenfalls aus Nürnberg. Dieser schaffte es ebenfalls nicht, den Wiederaufbau abzuschließen, weshalb er den Wagen schließlich 1982 inserierte und für 30.000,- DM an den amerikanischen Sammler Norbert McNamara veräußerte. Dieser endlich ließ das Fahrzeug professionell bei Fissore restaurieren und überführte ihn nach Amerika. 1996 trennte er sich wieder vom Hai. Neuer Eigentümer wurde der bekannte US-Sammler Bruce Millner. Der Verkaufspreis war bis dahin auf immerhin 297.000,- US-Dollar angestiegen. Schließlich landete der Wagen 2006 bei Andy Palmer, der den Hai in seinen Ur-Zustand inklusive der violetten Lackierung versetzen ließ und am 23. Januar 2010 auf der Bonhams-Auktion anläßlich der Retromobile in Paris versteigern ließ. Der Zuschlag bei 398.000,- EUR inklusive Aufgeld dürfte aber Profis und Fans des Wagens verblüfft haben. Nur 2 Jahre später wurde dasselbe Fahrzeug bei der Pebble Beach-Auktion dann zu immerhin 577.500,- US-Dollar inklusive Aufgeld versteigert.

Monteverdi Hai 450 GTS '1973 und zwei Repliken

Tatsächlich gab es aber noch drei weitere Haie: Das zweite "reguläre" Modell war TNT102. Es handelt sich um jenes Modell, welches der Welt als Montverdi Hai 450 GTS 1973 auf dem Genfer Salon vorgestellt worden war. Der GTS war allerdings mit dem Chrysler 440 Magnum-Motor mit 7206 ccm und und lediglich etwa 340 DIN-PS ausgerüstet. Dafür war der Radstand um 5 cm länger, was ihn etwas bequemer machte. Dieser Wagen wurde aber nie verkauft und befindet sich bis heute im Eigentum der Monteverdi Automobil AG. Ende der 80er Jahre gab es einen Sportwagen-Boom, an dem Peter Monteverdi noch einmal mitverdienen wollte: Ein Kunde aus dem arabischen Raum zeigte starkes Interesse an einem Hai, was den Chef der zwischenzeitlich nicht mehr aktiven Firma animierte zwei Repliken des Hai 450 SS von dem Prototypenbauer L.I.T.L.A. nahe Turin anfertigen zu lassen: es handelte sich um TNT100, das eine Kopie des ersten Hai 450 SS (TNT101), allerdings mit langem Radstand und 7,2-Liter-Motor darstellte, und TNT103, einer Kopie des 450 GTS (TNT102). Letztlich konnte Monteverdi jedoch beide Fahrzeuge nicht verkaufen, weshalb auch diese Nachbauten bis heute im Eigentum der Monteverdi Automobil AG geblieben sind. TNT100 ist nunmehr seit 2017 dauerhaft im Verkehrshaus der Schweiz in Luzern zu besichtigen.